Öffentliches Schweigen

August 2016. In diesem Jahr verzichtete ich erstmals auf die traditionelle Sommerfrische zu Hause an der Ostsee und blieb stattdessen nur wenige Tage in McPomm. Ich hatte in Regensburg aus der Bibliothek schon einen Berg Bücher bestellt und wollte in den Ferien mal so richtig ungestört forschen. Dass mich just in diesem Moment eine bleierne Müdigkeit und Schmerzen direkt aus der Hölle überfielen, schob ich zunächst auf die Umstände der Reise. Oma sagt: Das kommt von allein und geht von allein. Als nach einer Woche gar nichts mehr ging, ging ich – und zwar zum Arzt. Eine Spritze später stand ich mit dem Überweisungsschein im bummsvollen Warteflur einer Klinik. Kalter Schweiß und Übelkeit – jetzt bloß nicht auf den Tresen kotzen! Die Schwere dieser lebensbedrohlichen Erkrankung erschloß sich mir schlagartig, als ich plötzlich und unerwartet von der Oberschwester an allen anderen Wartenden vorbei zum nächsten Arzt gelotst wurde, der mich, wohl nach dem Motto: Jetzt ist sowieso schon alles egal, den medikamentösen Teil der Therapie allein aussuchen ließ.

September 2016. Die Anmeldungen für meine Kurse in den Schulen sind sprunghaft angestiegen und das Stundendeputat wurde erhöht. Kein Mensch merkt etwas davon, dass ich ein Medikament nehme, dessen Nebenwirkungen katastrophal sind. Immerhin ist dafür schon ein Antidot „in Entwicklung“. Ich trainiere meine Tatenvolumen und schaffe bereits zwei E-Mails pro Tag. Wie ich das lang im Voraus geplante Externe Audit überstand, ist mir heute völlig unklar.

Oktober 2016. Man gewöhnt sich an allem, auch am Dativ und Angst! Die Veränderungen meiner Lebensweise sind in vollem Gange, da wirft mich eine simple Erkältung ziemlich zurück. Das Hohlraumsausen ist so stark, dass mir das Blut aus den Ohren zu schießen droht. In solchen Zeiten kann man übrigens Chefs kennenlernen und ich stelle wieder einmal fest, dass ich mir keinen besseren Doktorvater als Christian Spannagel wünschen könnte. Er nimmt im richtigen Augenblick den Druck aus dem Kessel und für seine mentale Unterstützung bin ich einfach nur sehr dankbar.

November 2016. Wenn am Konsum ein Zettel mit der Aufschrift „Komme gleich wieder“ hing, wußte niemand so ganz genau, wie lange dieses „gleich“ dauern würde. Bei vielen Krankheiten ist es ähnlich, doch aktuell scheint alles im Lot auf’m Boot. Sehr langsam und noch etwas müde, aber ich bin wieder da.

4 comments so far

  1. Ruth Scheffler on

    Oh oh oh… liebe Luci, ich bin sehr froh, dass du langsam wieder ‚Boden unter den Füßen‘ hast. Und dass dein Doktorvater mit dem Druck im Kessel genau richtig umgeht zeichnet ihn wahrlich aus!
    Ich wünsche dir das Beste!
    Liebe Grüße, Ruth

  2. racoonjeff on

    Du meine Güte! Da werkelt man (halbwegs) gemütlich an der Diss und denkt, du tust das auch… Und dann sowas!

    Ich wünsche dir alles Gute!

    (Und ja, wir haben uns wirklich einen Top-Doktorvater ausgesucht!)
    Nando

  3. Kristina Lucius on

    Danke schön, Ruth und Nando!

  4. […] Das Rezidiv bahnte sich an, als die flow-Frequenz am höchsten war. Simone und ich schrieben seit ein paar Wochen mit großer Freude an einem Artikel und, naja, da kann man schon mal die Zeit vor dem PC vergessen. Das Ergebnis folgte pünktlich auf den Tag genau ein halbes Jahr nach der ersten Stillegung (hier). […]


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